Kurzbeschreibung
In den letzten Jahren zeigte sich, dass vor allem Ansätze, die in sehr kleinen Modellmaßstäben entwickelt wurden, signifikante Unterschiede zur Natur ergeben können. Damit steigt die Bedeutung von großmaßstäblichen Versuchen bis zu 1:1, die Turbulenz, kohärente Strukturen, Sedimenttransport, Morphodynamik aber auch Maßnahmen im Bereich der Wasserkraft, Schifffahrt oder Hochwasserrisikomanagement naturnäher abbilden können. Auch die Interaktion der Vegetation mit der Strömung oder dem Sedimenttransport, die Auswirkung von wasserbaulichen Maßnahmen auf Fische oder die Abdriftgefährdung von Menschen bei Hochwasser sind in kleinen Maßstäben gar nicht oder nur sehr eingeschränkt untersuchbar.
Das neue BOKU Wasserbaulabor ermöglicht daher Versuche bis zu 1:1 über einen Freispiegeldurchfluss von bis zu 10 m³/s durch die Wasserspiegeldifferenz zwischen Donau und Donaukanal von 3 bis 3,5 m. Gemeinsam mit Modellversuchen in kleinerem Maßstab mit Trinkwasser ergibt sich eine Skalenfamilie, die vertiefte Einblicke in Prozesse aber auch die mathematische Beschreibung dieser erlaubt.
Ansprechperson
Univ.Prof. DI Dr. Dr. h.c. Helmut Habersack
Research Services
• Modernes Wasserbaulabors in Wien mit Zuleitung aus der Donau (Forschungsgerinne, 2015 eröffnet), errichtet auf einer Insel zwischen Donau und Donaukanal am Brigittenauer Sporn, das weltweit in einzigartiger Weise mit bis zu 10 m³/s den größten Freispiegel-Labordurchfluss besitzt (Entnahme ohne Pumpen aus der Donau → geringe Kosten und hoher Nutzen), den Anforderungen der geplanten Forschungsthemen entspricht (Größe, Labordurchfluss, Ausstattung, Werkstätten etc.)
• Verknüpfung von „indoor“, „outdoor“ und „virtual stream labs“ (Laborrinnen und Modelle können sowohl im Gebäude selbst als auch im Freien betrieben werden und in Wechselwirkung mit Computermodellen als Hybridmodelle fungieren). Damit ist es möglich, mit natürlichem Zufluss Versuche bis zum Maßstab 1:1 umzusetzen
• Auf mehreren räumlichen Ebenen bilden sich verschiedene Schwerpunkte, die auch in der Größe und Art der Rinnen und möglichen Modellversuche unterscheidbar sind (variabler Modelldurchfluss, Feststofftransport, Breite, Tiefe, Neigung etc.)
• Durch die Verbesserung des Prozessverständnisses im Rahmen von physikalischen Modellversuchen ist die Entwicklung von numerischen Computermodellen möglich – damit ergibt sich eine sinnvolle Erweiterung der Laboraktivitäten
Methoden & Expertise zur Forschungsinfrastruktur
Methoden & Expertise zur Forschungsinfrastruktur
Die Forschungsinfrastruktur Wasserbaulabor setzt sich aus folgenden fachlich relevanten Teilen zusammen:
• Main Channel
• River Lab
• Public Lab
• Outdoor Lab
Der Main Channel (MC) bildet das Herzstück des Wasserbaulabors. Der große Durchfluss (bis zu 10 m³/s ohne Pumpen) erlaubt praxisorientierte Modellversuche, da ein sehr großer Modellmaßstab bis zu 1:1 möglich ist, der gerade bei Versuchen mit Sedimenttransport, Vegetation oder Fischen entscheidend ist, um gemäß den Modellgesetzen eine Abbildung der Natur zu erhalten (u.a. Verhinderung von kohäsivem Verhalten von Feinmaterial). Der Main Channel ist 90 m lang und 25 m breit. Im Bereich des MC ist der sogenannte „Big Flume“ integriert, der derzeit auf ca. 5 m Breite eingestellt ist, aber über eine flexible Wand auf insgesamt nahezu 25 m verbreitert werden kann. Weiters ist ein Wasserkraftversuchsstand integriert, der es ermöglicht, die Fallhöhe von 3 bis 3,5 m und den Durchfluss von 10 m³/s zu nutzen, um Entwicklungsarbeit, Optimierungen des Wirkungsgrades und ökologische Ausrichtungen von Wasserkraftanlagen vorzunehmen. Der Wasserkraftversuchsstand bietet die Möglichkeit, Turbinen (einschließlich Zu- und Abfluss, Generator usw.) verschiedener Typen zu testen und zu optimieren, wobei der bei Versuchen erzeugte Strom für den Eigenbedarf verwendet werden kann.
Im River Lab werden verschiedene komplexe hydraulische Modelle in variablen Maßstäben errichtet, die nach erfolgreichem Versuchsablauf ab- oder umgebaut werden können und so wieder anderen Fragestellungen zur Verfügung stehen. Diese Modelle untersuchen hydraulische Ansprüche vor der Errichtung wasserbaulicher Anlagen, die in der Regel teuer und planungsintensiv sind, unter kontrollierten Bedingungen und liefern somit die Basis für eine gute Planung. In diesen Modellversuchen werden zu Problembereichen wie bspw. Hochwasserschutz, Flussmorphologie, Sedimenttransport, Ökologie, Wasserkraftanlagen, Flussbauwerke und Schifffahrt verkleinerte Abbildungen der Natur aufgebaut. Dazu ist ein eigener Wasserkreislauf vorgesehen, der Versuche mit Reinwasser ermöglicht (der Bau ist auf 1 m³/s ausgelegt, derzeit stehen 470 l/s zur Verfügung, welche aus dem Klarwasserbehälter unter dem Main Channel gefördert werden). Für Messungen und Versuchsdokumentation stehen verschiedene Messgeräte wie z.B. zur Messung der Fließgeschwindigkeit und des Wasserspiegels mittels halb- oder vollautomatischer Anlagen zur Verfügung (u.a. tomographic PIV).
Das Public Lab befindet sich neben einem großen Hörsaal mit Platz für bis zu 200 Personen, in dem neben der Lehre themenspezifische Veranstaltungen stattfinden und Raum und Technik für Videokonferenzen zur Verfügung stehen. Zusätzlich können Videos und Filme zum Thema Wasser und Flüsse gezeigt werden, um auch die interessierte Öffentlichkeit zu erreichen. Das Public Lab selbst dient künftig durch kleinmaßstäbliche physikalische Modelle und eine Wasserausstellung dem Wissenstransfer aus der Wasserforschung. Das Public Lab bietet damit die Möglichkeit für BesucherInnen und Interessierte, sich über Forschung und Prozesse in Fließgewässern informieren zu können. Dieser Bereich soll Studierenden und SchülerInnen zur Verfügung stehen und zu PädagoInnenweiterbildungen interaktiv genutzt werden.
Für Modelluntersuchungen im Freien steht ein Outdoor Lab zur Verfügung. Allgemein können hier die Wechselwirkungen zwischen Abfluss, Sedimenttransport und Flussmorphologie sowie die Interaktionen zwischen Abiotik und Biotik bzw. die Auswirkungen von Maßnahmen auf das Grundwasser, Fische, Makrozoobenthos und Vegetation, untersucht werden.